Seit dem ersten Februar 2011 ist campus:grün im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) vertreten. Für die Gruppe hat das große Veränderungen bedeutet, sind wir doch zum ersten Mal im AStA tätig. Dieser Artikel soll eine kritische Reflexion des letzten Jahres sein. Er soll aber nicht inhaltlich Bilanz ziehen, sondern vor allem von unseren Erfahrungen in den Strukturen dieses Gremiums berichten.

Die Wahlen und die Party – Startschuss im Freudentaumel

Alles begann auf der Wahlparty im Dezember 2010. Es zeigte sich, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder eine realistische Möglichkeit bestand, die unpolitischen Unabs (Die Unabhängigen) aus ihrem gemachten Nest zu holen und sie bei ihrer AStA-Arbeit abzulösen. campus:grün hatte sich bei den letzten Wahlen von 10 auf 15 Plätzen verbessert. Dies war einerseits durch unsere Arbeit in der Opposition begründet, andererseits auch dadurch, dass die feministische Liste guerilla grrls und die Alternative Liste nicht mehr zu den Wahlen angetreten waren und wir die Wählerinnen und Wähler dieser Gruppen am besten von unseren Ideen überzeugen konnten.
Trotzdem hatte keine_r wirklich mit diesem Ergebnis gerechnet. Und so konnte man in den freudestrahlenden Gesichtern nach Bekanntmachung der Ergebnisse auch ein wenig Ernst erkennen, denn eins war klar: AStA-Arbeit bedeutet eine Menge Verantwortung.

Nach der Party folgt der Kater – die Koalitionsverhandlungen

Nach den Wahlen begann dann die Diskussion, mit wem es in den AStA gehen soll. Relativ schnell haben wir uns gegen eine Zusammenarbeit mit den Unabs entschieden. Uns war wichtig, einen echten Neuanfang gegenüber den letzten elf Jahren Hochschulpolitik an unserer Uni zu machen und alte Strukturen aufzubrechen. Dabei waren wir der Meinung, dass es bei den Unabs noch einige Personen gab und gibt, denen es nach unserem Empfinden nicht daran gelegen ist, die Studienbedingungen im Sinne aller Studierenden zu verbessern. Dies gab den Ausschlag, sich auf Gespräche mit der Juso-Hochschulgruppe und DieLinke.SDS zu konzentrieren. Inhaltlich wurde man sich recht schnell einig. Offen blieben nach den ersten Sitzungen noch einige personelle und strukturelle Änderungen.

Aus heutiger Sicht würden wir die Koalitionsverhandlungen wohl ein wenig anders angehen. Uns ist klar, dass ein Koalitionsvertrag immer auch ein Kompromiss ist. Allerdings haben wir es  – vielleicht aufgrund von mangelnder Erfahrung – versäumt, einige für uns sehr wichtige Themen in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, die aus diesem Grund dann später viel zu wenig thematisiert wurden. So kam es während unserer Amtszeit weder zu einer Positionierungen zur Atomkraft, noch zur Zerstörung der Sürther Aue durch den Ausbau des Godorfer Hafens. Zu beiden Themen hatte der AStA offiziell keine Meinung und Stellungnahmen, beide Themen scheiterten an der Juso-Hochschulgruppe.

Los geht’s – Der Sprung ins kalte Wasser

Trotz alledem stand am Ende ein Koalitionsvertrag, mit dem wir sinnvolle Arbeit leisten konnten. Es ging auch ziemlich schnell los, da das Semester geplant werden musste. Voller Energie, teilweise aber ziemlich unbedarft stürzten wir uns ins Abenteuer. An manchen Punkten war es dabei sinnvoll, auf die Erfahrung der Juso-Hochschulgruppe zurück zu greifen, die zu Teilen bereits seit 2 Jahren mit den Unabs im AStA war. Auch ganz besonders haben uns die Gespräche mit den Angestellten des AStA geholfen, die teilweise seit über 20 Jahren für die Studierendenschaft tätig sind und Höhen und Tiefen im AStA erlebt haben.

Wichtiges Ziel unserer Arbeit war es, neben der Umsetzung und Bearbeitung vieler inhaltlicher Punkte, die Strukturen so zu verändern, dass es für alle einfacher wird sich zu beteiligen. Aus einem traditionellen Funktionärsverständnis des „Wir FÜR euch“ sollte ein „Wir MIT euch“ werden. In vielen Bereichen, vor allem im Ökologiereferat, aber auch im Referat für kritische Wissenschaften und Antidiskriminierung und im Sozialreferat, ist dies gut gelungen. Hier wurden Menschen, die nicht aus den AStA-tragenden Hochschulgruppen kommen, in die inhaltliche Arbeit einbezogen. So wird die AStA-Fahrradwerkstatt bereits jetzt zu einem großen Teil von außenstehenden Studierenden gestaltet. Außerdem wurde stark der Einbezug verschiedener, nicht im Studierenden- parlament vertretener Hochschulgruppen gesucht und auch die Zusammenarbeit mit den autonomen Referaten klappte größtenteils gut.

Zwar war es so möglich, viele verschiedene Menschen an die Verfasste Studierendenschaft bzw. den AStA heranzuführen, die eigentliche Interessenvertretung blieb allerdings auf wenige Personen, meist aus den drei AStA-tragenden Hochschulgruppen, beschränkt. Dies sollte aus unserer Sicht in Zukunft anders werden.

Ganz klar wurde, dass AStA-Arbeit in der derzeitigen Form eine Tätigkeit ist, die nicht allen möglich ist. Gerade Studierende, die es sich nicht leisten können, so viel Zeit in diese Arbeit zu stecken, bleiben ausgeschlossen. Denn wer engagiert im AStA arbeitet, hat daneben unmöglich Zeit, noch einen Nebenjob auszuüben geschweige denn die nötige Zeit in sein oder ihr Studium zu stecken. Die Aufwandsentschädigung, die man für sein Engagement bekommt, reicht aber nicht aus, um einen Nebenjob finanziell zu kompensieren. Zudem trifft diese strukturelle Diskriminierung Studierende mit Kindern und Studierende, die Angehörige pflegen oder aus anderen Gründen nicht an zahlreichen, häufig abends gelegenen Terminen teilnehmen können oder wollen. Um bei diesen Punkten eine Barrierefreiheit herzustellen, ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Es war uns von Anfang an ein wichtiges Anliegen, die Verbindung zwischen dem AStA und den Studierenden zu verbessern. Hier ist es uns gelungen, durch regelmäßige Sprechstunden im neuen Seminargebäude, die neue AStA-Zeitung, zahlreiche Veranstaltungen und Projekte und die selbstverwaltete Fahrradwerkstatt mehr Kontaktmöglichkeiten für Studierende zu schaffen.

Ein Punkt, in dem wir unseren eigenen Ansprüchen leider nicht gerecht werden konnten, ist die geschlechtergerechte Arbeit und damit verbunden die Repräsentation von Frauen im AStA. Für einen AStA, der mit einem feministischen Anspruch angetreten ist, haben zu wenige Frauen in ihm mitgearbeitet. Dies liegt aber unserer Meinung auch daran, dass die Strukturen weiterhin sehr männerdominiert sind, was geschlechtergerechte Arbeit schwer macht. In Zu- kunft werden alle Gruppen zusammen daran arbeiten müssen, um wirklich eine Lösung zu finden.

AStA-Arbeit bedeutet eine Menge Verantwortung – obwohl es uns auf der Wahlparty vor fast einem Jahr schon klar war, war uns das Ausmaß wohl rückblickend nicht vollends bewusst. Zu sehen, wie unter unserer eigenen Verantwortung neue Dinge entstanden sind, hat uns viel Freude bereitet und Motivation für unsere Arbeit gegeben. Allerdings hatten viele von uns unterschätzt, wie stark die persönliche Verantwortung und der damit einhergehende Druck sich auch auf das Privatleben und das Studium auswirken kann. Ein Problem war sicher auch, dass sich nicht alle Menschen gleichermaßen für das „Projekt AStA“ verantwortlich gefühlt haben und so häufig Aufgaben ungleich verteilt waren. Eins ist uns vor allem klar geworden: Ein AStA wie wir ihn uns vorstellen, kann nur funktionieren, wenn genug Menschen ihr Herzblut hineinstecken!

Ein Jahr ist nicht genug – ein neuer Aufbruch

Wir haben inhaltlich viele Projekte, die wir uns vorgenommen hatten, erfolgreich umgesetzt. Allerdings reicht ein Jahr einfach nicht aus, um Strukturen, die sich in mehr als einem Jahrzehnt zuvor festgefahren haben, aufzubrechen und tiefgreifend umzugestalten. Die Arbeit im AStA hat uns stellenweise sehr ernüchtert, daher werden viele von uns im kommenden Jahr an anderen Stellen politisch aktiv sein, sich wieder stärker in der Gruppe engagieren oder sich andere Betätigungsfelder suchen, in denen sie aktiv werden wollen. Trotzdem haben wir uns bei einem Gruppentreffen Anfang November dazu entschieden, wieder zu den Wahlen anzutreten; mit dem Ziel, erneut in den AStA zu gehen.

Wir wünschen uns, dass der AStA weiterhin politisch Stellung bezieht, die Uni sozialer und ökologischer wird und dass Themen, die ohne uns unter den Tisch fallen würden, auch im kommenden Jahr behandelt werden. Dabei wird es uns noch wichtiger sein, möglichst viele Menschen in die AStA-Tätigkeit einzubeziehen.

(Einige AStA-Beteiligte von campus:grün)
Erschienen in der grün:fläche im Wintersemester 2011/12