Dogcare-Clinic Sri Lanka – Eine Rettung für viele Straßenhunde

Sandstrand, Palmen und blaues Meer – Eine malerische Kulisse eröffnet sich den Touristen, die ihren Urlaub auf der Insel Sri Lanka – ehemals „Ceylon“ im indischen Ozean verbringen. Von den Spuren des Tsunamis, der 2004 das Land verwüstet und zahlreiche Todesopfer gefordert hat, ist heute nicht mehr viel zu sehen. Besonders die Westküste hat sich aus ihrem Schock gelöst und sich wieder ganz dem Tourismus verschrieben. Nicht nur wunderschöne Strände, Ayuverda- Kuren und gutes Essen locken zahlreiche Urlauber_Innen jedes Jahr auf die Insel unterhalb Indiens, auch kulturelle und religiöse Stätten heizen den Massentourismus zusätzlich an.

Doch hinter diesem, von westlichen Sonnenanbeter_innen konstruierten Urlaubsparadies verbergen sich Probleme, die der typische „Massentourist“ nicht mal im Geringsten für möglich hält beziehungsweise die Hintergründe erfassen kann. Nicht nur der Tsunami 2004 forderte tausende von Menschenleben, auch der Bürgerkrieg, der erst vor ca. zwei Jahren sein Ende fand wurde von vielen zivilen Opfern begleitet. Die Forderung nach einem unabhängigen Tamilenstaat der „Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)“ und die Ablehnung der sri lankanischen Regierung gingen dem Konflikt voraus. Es folgten Jahre der Gebietseroberungen auf beiden Seiten, ehe 1995 die Situation zu einem Bürgerkrieg eskalierte. Friedensverhandlungen scheiterten und so endeten die Kämpfe erst im Mai 2009 als die sri lankanischen Truppen die Rebell_innen auf eine „ungefährliche“ Zahl reduziert und ihren Anführer erschossen hatten. Nicht zuletzt wegen den beschriebenen Zuständen leidet Sri Lanka unter wirtschaftlichen Problemen und Armut. Doch auch ein anderes soziales Thema beschäftigt die rund 20,6 Millionen Einwohner_innen der Insel im indischen Ozean.

So genannte Streetdogs, Straßenhunde sind eines der großen Probleme der Gesellschaft. Hunde, die sich frei bewegen, täglich um ihr Futter kämpfen müssen und somit auch um ihr Überleben. Hunde, die niemand vermisst, um die sich niemand kümmert, für die niemand verantwortlich ist und für die erst recht niemand ein Herz zeigt. Streetdogs sind meistens nicht kastriert, krank und vollkommen unterernährt. Von Flöhen, Läusen und anderem Ungeziefer ganz zu schweigen, sind die Hunde oft von Kratzern und Verletzungen aus Revierkämpfen, bedeckt. Auf den Straßen zählt das Gesetz des Stärkeren, genau das spüren diese Hunde Tag für Tag.

Der Umgang vieler Einheimischer mit ihren eigenen Hunden sowie den Streetdogs lässt stark zu wünschen übrig und kann nur verbessert werden. Das Verständnis für nötige Kastrationen, Behandlungen und Vorsorgeimpfungen ist bei einigen Bewohner_innen der Insel noch nicht ausgeprägt genug beziehungsweise gar nicht vorhanden. Der Stellenwert eines jeden Hundes ist durch die große Gesamtanzahl in den Augen der Sri Lankaner_innen unglaublich gesunken. Hunde als Werkzeug, als lebende Alarmanlage, als Wegwerfprodukt gesehen. Oft wird keinerlei emotionale Bindung zum eigenen Tier und erst recht nicht zu den herumlungernden Straßenhunden aufgebaut, die mit Tritten und Schlägen weggejagt oder hemmungslos überfahren werden. Hinzu kommt die Angst der Inselbewohner_innen vor der bei uns fast nicht mehr vorkommenden „Tollwut“, einer Krankheit die für den Menschen fast immer zum Tode führt und sie deshalb auch so gefährlich macht. Eine Schutzimpfung ist sehr kostspielig, weshalb sie für viele Sri Lankaner_innen nicht in Frage kommt. Es bleibt also nur die Möglichkeit sowohl Straßen-, als auch Hunde von Besitzern, mit dem Impfstoff zu versorgen, um sie so als Träger der Krankheit, als „potentielle Gefahrenquelle“ ausschließen zu können.

Eine weitere Erklärung für den doch sehr fraglichen Umgang mit den Hunden lässt sich in der Religion der Einheimischen finden. Zu 70% leben Buddhisten auf der Insel, die restlichen 30% teilen sich der Hinduismus, der Islam und das Christentum. Eine wichtige Rolle im Buddhismus spielt die Wiedergeburt, die sich als eine Art Leitfaden durch das Leben der Gläubigen zieht. Wer sich durch gute Taten und positives Handeln in seinem ersten Leben hervorgetan hat, kann auf eine Inkarnation als menschliches Wesen hoffen. Schlechte Personen werden dagegen oft als Tier wiedergeboren, speziell der Hund ist ein Symbol für ein schlechtes vorrangegangenes Leben. Vielleicht aus diesen Gründen, vielleicht aus anderen ist die Situation der Hunde so katastrophal und kann auf lange Sicht nur durch eine Reduzierung der Masse (Kastrationsprogramme) und durch Aufklärung der Bevölkerung verändert werden.

Genau an diesem Punkt knüpft Marina Möbius mit ihrer Dogcare-clinic, im schönen Badeort Unawatuna (Südküste), an. Sie kam selbst als Touristin auf die Insel und konnte sich vor dem Elend der Straßenhunde nicht verschließen. Aus anfänglich zwei oder drei Hunden, die sich ihre Portion Futter bei ihr abholten, wurde bald eine kleine Bande und so nahm die Entstehung der Dogcare-clinic ihren Lauf. Marina Möbius schaffte es mit Hilfe von Freunden und Einheimischen die Klinik zu bauen und nach nahezu westlichem Standard einzurichten. Im Juli 2007 öffnete sie zum ersten Mal ihre Pforten. Wöchentlich finden nun Kastrationstouren, in Zusammenarbeit mit lokalen Tierärzt_innen, in verschiedenen Städten in der Umgebung und auch teilweise in großer Entfernung statt. Die Klinik bietet tierärztliche Versorgung, Impfungen und Kastrationen und sorgt so für die allzu wichtige Aufklärung der Bevölkerung. Viele Sri Lankaner_innen sind nicht in der Lage für Leistungen wie diese finanziell aufzukommen. Die Versorgung der Hunde ist daher nicht nur kostenfrei für sie, sondern wird auch mit einer kleinen Geldspende für die Familie „belohnt“. So wird die Versorgung beziehungsweise Kastration der Hunde gewährleistet und ein Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber ihren Tieren entsteht. Eine Finanzierung des Projektes ist nur durch Spenden und Patenschaften, sowie durch Marinas persönliches Engagement möglich.

Um den Überlebenskampf der Straßenhunde etwas zu erleichtern, bricht das Team der Klinik jeden Tag zu sogenannten Fütterungstouren auf. Hierbei wird Futter an bestimmte Plätze in der Umgebung gebracht, an denen die Straßenhunde schon sehnsüchtig darauf warten. Das große Areal der Dogcare-clinic bietet nicht nur Zuflucht für Streetdogs, für die ein Überleben auf der Straße unmöglich geworden ist, sondern auch für Hunde aus Familien, die nicht mehr an ihre „Herrchen“ zurück gegeben werden können oder solche, die einfach nicht mehr zu ihren früheren Besitzern zurück gehen möchten. Neben diesen Dauerbewohnern, treffen nahezu täglich Kleinstwelpen, die ohne Hilfe keine Überlebenschancen hätten, in der Klinik ein. Sie werden auf den täglichen Fütterungstouren, in Pappschachteln am Wegesrand, vor Klöstern oder von hilfsbereiten Touristen gefunden. Durch den frühen Entzug der Mutter und damit verbunden der ersten wichtigen Muttermilch haben die Jungtiere ein sehr schwaches Immunsystem und sind den „Krankheiten der Straße“ hilflos ausgeliefert.
In der Dogcare-clinic wird um jedes Leben gekämpft, doch manchmal kommen die helfenden Maßnahmen zu spät und viele der Findelkinder müssen schon während der ersten Tage ihres Aufenthaltes von ihrem Leiden erlöst werden. Die Welpen werden wieder aufgepäppelt, mit den notwendigen Impfungen versorgt und nach einiger Zeit auch kastriert. Sind die Hunde in einem guten gesundheitlichen Zustand beginnt die Suche nach neuen Besitzer_innen. Es ist Marina Möbius ein besonderes Anliegen die Hunde nicht nach Deutschland zu vermitteln, sondern sie auf Sri Lanka an geeignete Einheimische abzugeben. Zum einen können und werden die Hunde immer wieder besucht und stehen so unter Beobachtung, zum anderen würde sich das Problem nur verlagern und nicht gelöst werden, so Möbius. Hier vor Ort soll der Umgang mit den Tieren verändert werden. Das Ziel ist ein Wandel im Denken der Einheimischen, der Hund soll an Stellenwert gewinnen und als fühlendes Wesen wahrgenommen werden.

Die Situation der Streetdogs hat sich dank des Einsatzes von Marina Möbius und ihrem Team im Umkreis von Unawatuna erstaunlich gebessert und das Leben der Hunde erleichtert. Doch das Örtchen an der Südküste ist nur ein kleiner Part der Insel und es Bedarf noch viel Hilfe, Zeit und Aufklärung, um die Lage der Straßenhunde auf ganz Sri Lanka dauerhaft zu verändern und lebensfreundlich zu gestalten.

Weitere Informationen unter www.dogcare-clinic.de

(von Julia Haas)
Erschienen in der grün:fläche im Wintersemester 2011/12

2 Kommentare

  1. frank

    hallo frau haas,
    konnten Sie sich vor ort von der Arbeit einen überblick verschaffen? waren sie per. vor ort?
    danke für ihre antworten

  2. Juli

    Hallo Frank,

    ich habe im Winter 2010/11 für zwei Monate in der Dogcare clinic gearbeitet und ein Jahr später war ich nochmals für 3 Wochen dort. Falls sie Fragen haben, können sie sich gerne an mich wenden.

    Liebe Grüße Juli

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

68 + = 74

© 2024 campus:grün köln

Theme von Anders NorénHoch ↑