Stellungnahme von campus:grün zu den Koalitionsverhandlungen

Liebe Student_innen, liebe Wähler_innen,

zunächst einmal tut es uns leid, dass wir erst jetzt eine ausführliche Stellungnahme veröffentlichen konnten. Wir haben uns die Zeit genommen, um unsere Position auszudiskutieren und um zu
gewährleisten, dass alle sich mit dieser Stellungnahme identifizieren können. Wir hielten dies für wichtig, da wir basisdemokratisch organisiert sind und versuchen Entscheidungen immer im Konsens zutreffen.

Nachdem wir zwei Jahre im AStA gearbeitet haben und viele Projekte gestartet und umgesetzt haben, müssen wir diesen nun verlassen.

Im Dezember 2010 konnte erstmals seit mehr als zehn Jahren eine linke Mehrheit im Studierendenparlament erreicht werden. Wir nutzten diese Chance um mit der Juso-Hochschulgruppe und Die Linke.SDS sowie im Jahr 2011 mit der Alternativen Liste einen AStA zu bilden.

Bei den Wahlen im Dezember 2012 konnten wir mit unserem eigenen Ergebnis durchaus zufrieden sein. Wir konnten unsere 16 Sitze behalten und konnten in absoluten Zahlen, aber auch relativ (um 0,8%) leicht zulegen.

Aber das Gesamtergebnis zeigte uns, dass es in diesem Jahr schwierig würde einen progressiven AStA zu bilden. Durch das Nichtantreten der Alternativen Liste und den Verlust eines Sitzes für die Juso-Hochschulgruppe kamen wir in der derzeitigen Koalition nur noch auf 24 von mindestens 26 benötigten Sitzen im Studierendenparlament.

Obwohl die Gespräche mit der Piraten-Hochschulgruppe viele Überschneidungen ergaben und sie sich als weitere Koalitionspartnerin anbot, reichte es so nicht zu einer Mehrheit.

Keine Koalition mit den Unabhängigen (Unabs)

Die Unabhängigen konnten sich bei diesen Wahlen mit insgesamt 20 Sitzen als Sieger_innen fühlen. Wie schon in den vergangenen Jahren bekamen wir eine Einladung zur gemeinsamen AStA-Bildung,
was von den Zahlen her für alle Beteiligten die einfachste Lösung gewesen wäre und zu einer zwei Drittel-Mehrheit des AStA im Studierendenparlament geführt hätte. So hätten auch wichtige
Satzungsänderungen vorgenommen werden können.

Aber wie schon in den vorigen Jahren haben wir auch dieses Jahr eine Koalition mit den Unabs ausgeschlossen. Für uns ist Hochschulpolitik immer eine umfassende Interessensvertretung der Studierenden, dazu gehört auch ein gesamtgesellschaftlicher Kontext. Eine ausreichende Finanzierung der Hochschulen kann z.B. niemals erreicht werden, wenn nicht auch gegen die Schuldenbremse vorgegangen wird. Ein gutes Lernklima wird nicht geschaffen, solange Menschen immer noch aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung diskriminiert werden. Solange rechte Parteien ihr faschistisches Gedankengut auf offener Straße verbreiten können und es somit auch in die Uni tragen, solange immer noch mehr Professoren als Professorinnen lehren,solange und lange darüber hinaus darf ein AStA nicht die Augen vor allgemeinpolitischen Problemen verschließen. Genug studentischen Wohnraum wird es nicht geben, wenn das städtische Geld bei fragwürdigen Großprojekten wie dem Godorfer Hafen oder dem verpfuschten U-Bahn-Bau verpulvert wird und gesamtgesellschaftlich ist es falsch abzuwägen, ob ein Wohnheim für Student_innen oder eine Unterkunft für Wohnungslose gebaut wird.

Wir versuchen daher immer eine gesamtgesellschaftliche Perspektive einzunehmen, ohne unseren Handlungsraum, die Uni Köln und eure Studienbedingungen aus den Augen zu verlieren. Die Unabs wollen diesen gesamtgesellschaftlichen Kontext jedoch nicht in die Hochschulpolitik einbeziehen.

Aufgrund dieser Perspektive und weil wir ein komplett anderes Bild von Hochschulpolitik haben, wird campus:grün unserem Eindruck nach von Student_innen als politischer Gegenpart zu den Unabs wahrgenommen.

Aus diesen Gründen scheidet die Möglichkeit einen gemeinsamen AStA zu stellen für uns derzeit aus.

Freie Tunten Partei (FTP) und Die LISTE

Bei den Wahlen erlangten die FTP und Die LISTE jeweils einen Sitz im Studierendenparlament. Wir haben mit beiden Gruppen Gespräche geführt.
Die FTP forderte unter anderem die de facto Abschaffung des Referats für „Kritische Wissenschaft und Antidiskriminierung“ und die Aufhebung des in der letzten Legislatur endlich eingeführten Alkoholverbots im Studierendenparlament, das zu einer deutlich besseren Atmosphäre dort beigetragen hat. Schon im Wahlkampf hatte uns das Frauenbild der FTP, die eine Reduzierung auf Ponys, Rosa, Stöckelschuhe und Sekt vornahmen, sehr gestört. In dieser Art der Darstellung von Frauen* sehen wir keine Kritik an der bestehenden binären Geschlechteraufteilung, sondern eher eine Reproduktion bestehender Rollenzuschreibungen.
In den Gesprächen mit der LISTE mussten wir feststellen, dass auch hier die Differenzen zwischen der LISTE und campus:grün sehr groß sind. Zunächst bestürzte uns, dass uns Die LISTE im Gespräch Kritik an schlagenden Verbindungen verbieten wollte. Außerdem hat Die LISTE ein ganz anderes Verständnis von Kritischer Wissenschaft, als wir es haben und so hätten wir z.B. die Ringvorlesung „Alternativen Denken“ in dieser Form nicht weiterführen können. Eine weitere Forderung war, dass der AStA sich zukünftig für die Einführung einer Schnitzeltheke einsetzen solle, was wir ebenfalls für keine gute Idee hielten, unter anderem da eine solche Forderung darauf hin wirkt studentische Interessensvertretung lächerlich zu machen. Leider haben wir auch feststellen müssen, dass wir das zwischenmenschliche Verhalten von einzelnen Personen der LISTE auf der Wahlparty unangebracht fanden und sich Die LISTE von diesem Verhalten in unserem Gespräch nicht distanziert hat.

Nach den Gesprächen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir eine Zusammenarbeit mit diesen beiden Listen ausschließen.

Im Nachhinein haben wir mitgeteilt bekommen, was der inhaltliche Konsens zwischen RCDS, LHG, FTP und LISTE gewesen sei, den sie in einer Koalition mit den Unabhängigen umsetzen wollten. Dieser hat uns in unserer Analyse der beiden Gruppen bestätigt. Nach Angaben des RCDS wurde sich auf eine de facto Abschaffung des Antifa AK (Umbenennung in Antiextremismus AK und Mittel nur noch projektbezogen), einen Austritt aus dem fzs (der einzige überparteiliche Dachverband der Student_innenschaften in Deutschland), einen Austritt aus dem BdWi (Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) und die Einführung der Unicard geeinigt.

Wir haben alles versucht – Minderheits-AStA

Im Angesicht dieser Lage haben wir in Gesprächen mit den Jusos, SDS und Piraten klar gemacht, dass wir uns eine Koalition oder Duldung durch FTP und Die LISTE nicht vorstellen können und stattdessen einen Minderheits-AStA anstreben.

Die Jusos, die derzeit einen gespalteneren Eindruck machen als je zuvor, konnten sich schlussendlich nicht zu einem Minderheits-AStA durchringen, um ein weiteres Jahr einen politischen AStA zu stellen. Die Zusammenarbeit mit dem SDS hat in den letzten beiden Jahren sehr gut funktioniert und wir würden auch gerne in diesem Jahr gemeinsame Projekte starten und fortführen.

Von der Piraten HSG haben wir einen positiven ersten Eindruck gewonnen und sehen viele inhaltliche Überschneidungen. Auch hier können wir uns eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen.

Nicht mehr mit uns

Wir haben uns die Entscheidung, keine realistische Mehrheit im Studierendenparlament anzustreben, nicht leicht gemacht. Wir sind uns bewusst, dass dies einen großen Rückschritt für die Selbstverwaltung der Studierendenschaft und die Interessensvertretung an der Uni Köln darstellt. Aber ein AStA, wie wir ihn uns vorstellen, ist in der aktuellen Konstellation nicht möglich.

Wir wollen nur einen AStA mitstellen, der sich einem gewissen politischen Konsens verpflichtet fühlt. Dazu gehört unter anderem: Antisexismus, Antirassismus und politischer Gestaltungswille. In diesem Jahr sahen wir diesen Konsens nicht bei der Mehrheit der Parlamentarier_innen.

Bedauerlich ist es vor allem wegen der vielen guten Projekte, die wir über den AStA in der letzten Zeit realisiert haben. Sei es die überaus gute Präsenz in der lokalen und überregionalen Presse und die Zeitung Nachdruck, der aktive Einsatz gegen Zwangsexmatrikulationen, gegen Auslauffordnungen und Gängelungen durch die zeitweise von der Phil geplanten Prüfungsordnungen, die ein Teilzeitstudium mit Lohnarbeit oder Pflege von Angehörigen unmöglich gemacht hätten. Schade ist es auch um zahlreiche neue Serviceangebote wie die neu errichtete Fahrradwerkstatt oder die Kooperation mit Studibus, die Ringvorlesung „Alternativen Denken“ oder die zwei explizit politischen Veranstaltungswochen „festival contre le racisme“ und „Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie“ mit vielen neuen Besucher_innen. Schade wäre es zudem, wenn angestoßene Projekte wie der studentische Garten, dessen Eröffnung für den Frühling dieses Jahres geplant war, nicht abgeschlossen werden könnten oder Projekte wie die Fahrradwerkstatt und die Gemüsekiste nicht weitergeführt würden. Wir befinden uns aber in Verhandlungen mit dem neuen AStA, um möglichst viele Projekte weiterlaufen zu lassen. Die Liste des Erreichten ist lang und wir würden gerne daran anknüpfen.

Jetzt erst recht – emanzipatorische Politik an der Uni Köln

Unser Ziel bleibt eine Hochschule, die allen die Möglichkeit bietet möglichst frei von Zwängen zu studieren, zu arbeiten und zu lernen. Wichtiges Ziel ist also eine Beschränkung von Macht, die Gleichheit zwischen den Angehörigen der Universität und eine partizipative Ausrichtung der Uni.

Was nun?

Auch weiterhin werden wir unsere Forderungen deutlich machen. Dafür stehen uns eine Reihe von Strukturen zur Verfügung. Als stärkste Oppositionsgruppe werden wir durch Anträge und Öffentlichkeitsarbeit versuchen die Studierendenschaft vor harten Einschnitten und Entpolitisierung zu schützen.
Es gibt viele Möglichkeiten (auch außerhalb des StuPas und des AStAs) um unsere Inhalte voran zu bringen: z.B. Aktionen auf dem Campus, Workshops, Vollversammlungen, Vorträge oder die Mitgestaltung des Dies Academicus zur Ausrichtung der Uni.

Viel zu tun

In diesem Jahr steht an der Uni viel an, das wir kritisch begleiten wollen:

  • die Novellierung des Hochschulgesetzes
  • das 625-jährige Jubiläum der Uni, das wir mit einigen Veranstaltungen begleiten wollen
  • die Evaluation des Lehrer_innenausbildungsgesetzes
  • die Planung des Praxissemesters für die neuen Lehramtsstudent_innen
  • die geplante Streichung einiger Lehrstühle an der WiSo
  • Konzeption eines Masterstudiengangs in Gender Studies

Darüber hinaus wollen wir mit unseren Projekten natürlich auch eigene Akzente in diesem Jahr setzen:
Neben einer ökologischen Ringvorlesung wollen wir uns zum Beispiel für mehr plurale Ökonomik an der WiSo und der gesamten Uni einsetzen.

In diesem Sinne: Unkraut vergeht nicht – Wir bleiben unbequem!

2 Kommentare

  1. Philipp Wilhelm

    haha…geil wie ihr euch als die armen, gescholtenen Hinstellt….liegt es vielleicht eher an dieser Herrischen Art die ihr drauf habt? Dieses „Macht das so wie wir das wollen oder lasst es“ ?
    Ich glaube da weht der Wind her…Die FTP wäre durchaus bereit gewesen mit euch zusammen zu arbeiten (und selbiges wurde uns von euch auch vermittelt), wenn da nicht diese Art und weise gewesen wäre die eure Gruppe hier drauf hat.
    Ihr stellt euch hin als die Heilsbringer der Hochschulpolitik und alle anderen, die nicht mit euch wollen, sind direkt böse…

    Überdenkt euch da noch mal und evtl. kann man nächstes Jahr noch mal sprechen…aber aktuell und mit dieser Art wird das erstmal nix

  2. Anonymous

    „das dies einen großen Rückschritt für die Selbstverwaltung der Studierendenschaft und die Interessensvertretung an der Uni Köln darstellt“ .. sagt mal, was glaubt ihr eigentlich wer ihr seid?

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