Sprache als Ausdruck der Ökonomisierung

Unsere Sprache beeinflusst unser Bewusstsein und somit letztlich auch unser Handeln. Sie transportiert Ideologien, unser Selbstverständnis und sie kann diskriminieren. All das geschieht meist unbewusst und fällt uns beim Sprechen selten auf. Dies ist ein Grund, weshalb wir, campus:grün, darauf Wert legen, gegenderte, also geschlechtergerechte Sprache zu nutzen, um so gesellschaftlichen und in Sprache manifestierten Vorurteilen und veralteten Weltbildern entgegenzuwirken. Aber nicht nur in diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich über die Bedeutung von Sprache und die Konsequenzen ihrer Nutzung im Klaren zu sein.

Immer weiter dringen ökonomische Begriffe in den Hochschulalltag ein. Wir machen „Soft-Skill Kurse“, um unser persönliches „Portfolio“ zu verbessern, erwerben „Leistungspunkte“ und wägen mithilfe von „Kosten-Nutzen-Rechnungen“ ab, ob der „Workload“ für eine Veranstaltung angemessen ist. Jede Uni besitzt eine „Coporate Identity“ und nutzt „Standortmarketing“, um ihre „Produkte“ anzupreisen. Auch hört man immer häufiger in Vorlesungen und Seminaren, dass Student_innen eine bessere Vorbereitung der Dozierenden oder bessere Lernbedingungen mit der Begründung einfordern, sie würden Studiengebühren zahlen und hätten somit als „Kund_innen“ ein Anrecht darauf ein „gutes Produkt“ konsumieren zu können.

All diese Worte sind Ausdruck für die zunehmende Ökonomisierung der Uni im Einzelnen und der Bildung im Allgemeinen, die in den letzten Jahren, verschärft durch den Bologna-Prozess, immer größere Ausmaße angenommen hat.

Durch das Hochschulfreiheitsgesetz, einem verstärktem Zwang zur Drittmittelerschließung und nicht zuletzt durch die immer engere Verzahnung von Forschung und Unternehmen, bekam die Wirtschaft einen bis dato nicht gekannten Einfluss auf Fragen der grundlegenden Ausrichtung der Universität. So sitzen zum Beispiel Vorstandsmitglieder von Bayer und der Deutschen Bank im Hochschulrat der Uni Köln. Ein anderes, aufschlussreiches Beispiel ist das Energiewirtschaftliche Institut an der WiSo-Fakultät, das scheinbar unabhängige Studien publiziert, jedoch durch Millionenbeträge von RWE und E.on mitfinanziert wird.

Durch Bachelor- und Masterstudiengänge, durch die Exzellenzinitiative und durch Rankingsysteme werden ökonomische Ideen wie Wettbewerb, Konkurrenz und Dienstleistung direkt in den Hochschulalltag und das Selbstverständnis der Hochschule und ihrer Mitglieder integriert. Dies führt dazu, dass die Solidarität zwischen den Hochschulmitgliedern immer weiter verloren geht und sich stattdessen eine Ellenbogenmentalität breit macht. Gleichzeitig sind immer weniger Student_innen bereit sich freiwillig für soziale, ökologische und politische Verbesserungen, innerhalb und außerhalb der Hochschule zu engagieren. Dies liegt zum einen daran, dass uns durch die einseitige Ausrichtung auf ökonomische Ziele immer mehr das Gefühl für andere Lebensbereiche verloren geht, zum anderen aber auch schlicht an dem immensen Prüfungs- und Leistungsdruck, dem wir in den neuen Studiengängen ausgesetzt sind. Diese Strukturen und Zwänge der Bachelor und Masterstudiengänge werden häufig damit begründet, dass wir durch sie angeblich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, doch selbst dieses Versprechen kann nicht eingehalten werden. Absolvent_innen, die nicht gelernt haben selbstständig zu handeln und zu denken, werden nicht in der Lage sein kreativ Projekte zu erarbeiten und umzusetzen und somit große Schwierigkeiten haben einen interessanten Arbeitsplatz zu finden.

Jedes Mitglied der Hochschule, vor allem wir Student_innen, müssen diese Entwicklungen und auch unser eigenes Verhalten und damit auch unsere Sprache kritisch hinterfragen. Wollen wir als Student_innen wirklich Produkte konsumieren und Dozent_innen nur als Dienstleister_innen betrachten? Oder lebt die Wissenschaft, die Hochschule und letztendlich die Gesellschaft nicht gerade davon, dass es zu einem kritischen Dialog zwischen ihren Mitgliedern kommt und diese gewillt sind jene mitzugestalten? Wollen wir vorgefertigtes, portioniertes Wissen konsumieren oder suchen wir uns selbst Themen, die uns interessieren und vertiefen diese? Wollen wir primär für den Arbeitsmarkt ausgebildet werden oder wollen wir uns ganzheitlich mit verschiedensten Themen auseinandersetzen und uns für die kritische Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben bilden? Wollen wir eine Uni, die sich an den Interessen der Wirtschaft orientiert oder sollte sie darauf ausgerichtet sein, die zentralen Fragen der Gesellschaft zu beantworten und ihre Probleme zu lösen?

Wir glauben, eine Ökonomisierung in dieser Form ist ein Irrweg. Es liegt an uns auf Prozesse und Strukturen einzuwirken und diese in unserem Sinne zu beeinflussen. Hierzu müssen wir bei uns selbst beginnen, unser eigenes Verhalten kritisch hinterfragen und auf Grund dessen unser Handeln verändern. Wir sollten uns bewusst machen, was um uns herum geschieht und uns nicht von angeblichen Sachzwängen und Strukturen einengen lassen, sondern unseren eigenen Weg gehen. Zu diesem Bewusstwerdungsprozess gehört es eben auch unsere Sprache reflektiert zu nutzen.

(von Johanna Glaser und Benjamin Görgen)