Über die Umstellung des Lehramts auf Bachelor, die damit verbundenen Probleme und das Auslaufen des Lehramts auf Staatsexamen

Die Bachelor-Welle hat nun das große Feld der Lehramtsstudiengänge ergriffen. Zu diesem Semester wurden alle Lehramtsstudiengänge in NRW auf Bachelor umgestellt. Damit ist der Bologna-Prozess auch bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern angekommen und hat immer einiges im Rucksack gehabt: Von Internationalisierung und Vergleichbarkeit bis hin zu Stärkung der „Employability“. Die grundsätzliche Debatte über das Bachelor-/ Mastersystem soll hier außen vor gelassen werden, da schließlich die NRW-Landesregierung mit einer Reform der Reform ins Feld ziehen möchte, um Probleme bei der Bologna-Umsetzung, (wie bspw. der hohe Workload, das verschulte System, das kaum freie Gestaltungsmöglichkeit bietet) zu beheben. Doch einige große Fragezeichen müssen im Bezug auf die Lehramtsumstellung an dieser Stelle angeführt werden:

Die Einführung zum Wintersemester?!

Wenn man als Landesregierung ohnehin das BA/MA-System reformieren möchte, wieso führt man dann eine Studienreform durch, die die alten, bekannten Probleme beinhaltet? Wieso wartet man nicht „die Reform der Reform“ ab? Zugegeben: Das Lehrerausbildungsgesetz (LABG 2009) sieht die Umstellung auf BA/MA mit dem Einführungsdatum WS 11/12 vor. Im Grunde haben uns das unser alter Freund Innovationsminister a.D. Pinkwart und seine schwarz-gelben Kolleg_innen eingebrockt. Dass nun dieses Tigerentengesetz greift, ist Fakt und Änderungen darin sind schwer zu erreichen. Die Unis sind an die gesetzliche Vorgabe gebunden. Dass hier die Umstellung nicht reibungslos funktioniert, war zu erwarten. Auch wenn gerade die Uni Köln und besonders das Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) in den letzten Monaten ein wahnsinniges Tempo vorgelegt hat, um einen möglichst unproblematischen Semesterbeginn zu erreichen, müssen die Neueinsteiger sich mit Umstellungsschwierigkeiten auseinandersetzen: Unfertige Prüfungsordnungen und nicht verbreitete Modul- handbücher, unklare Verbuchung von Leistungen und eine (bisher) unzureichende Informationspolitik der Univerwaltung.

Eine (un)nötige Umstellung?!

Über die Ausrichtung der neuen BA-Lehramtsstudiengänge kann man geteilter Meinung sein. Praxissemester, deutlichere Verzahnung von Theorie und Praxis und individuelle Begleitung sind Änderungen, die beim Lehramt Sinn machen. Doch braucht man hierfür die Umstellung auf das BA-System? Hätte das nicht auch eine Reform der Staatsexamen-Studiengänge erreichen können? Klar, wenn man ein Fan des BA-Systems ist, dann ist sicherlich auch ein BA-Lehramt eine tolle Sache. Aber zwei Gegenfragen sind hier entlarvend: Wieso gibt es dann keinen BA Jura und BA Medizin? Und: Wie möchte man international bspw. BA Lehramt Gymnasium vergleichen? Diese Studiengänge können außerhalb von Deutschland nicht studiert werden, da sich unser Bildungssystem grundlegend von den anderen unterscheidet. Eine Internatinalisierung, angeblich einer der großen Vorteile des BA/MA-Systems, ist also nicht möglich.

Halbe Lehrer_innen?!

Die Umstellung der Lehramtsstudiengänge beinhaltet eine deutliche Umstrukturierung: Statt einem Grund- und einem angeschlossenem Hauptstudium mit dem Ziel Staatsexamen, wird ein BA-Studium mit Abschluss und ein MA-Studium mit Abschluss gefordert, um in den Referendariatsdienst gehen zu können. Eine Garantie, nach der bestandenen BA-Prüfung in das MA-Studium gehen zu können, geschweige denn sofort und an der selben Uni, gibt es jedoch nicht. Bei Nicht-Lehramtsstudiengängen kann dies noch Sinn ergeben, aber da es überhaupt nicht vorgesehen ist, dass Studierende mit BA Lehramt Gymnasium mit Deutsch und Geografie für den Master in Mathe und Physik wechseln könnten, ist diese Zweiteilung nur sehr schwer zu vermitteln. Um nicht befürchten zu müssen, nach dem abgeschlossenen BA mit einem nicht-qualifizierenden Berufsabschluss auf der Straße zu stehen, wird das Gerangel um die MA-Plätze dementsprechend groß sein. Alternativen, wie eine Exit-Strategie hin zum fachbezogenen BA mit einem anschließenden Education Master gibt es bisher nicht.

Und was ist mit den „alten“ Lehrämtlern?!

Die tausenden Studierenden des Lehramts auf Staatsexamen sind seit diesem Wintersemester ein Auslaufmodell. Was sich nach alter Waschmaschine anhört, ist typisches Unijargon: Auslaufordnungen wurden beschlossen. Durch erfolgreiche Intervention des AStA wurde die absolvierte Zwischenprüfung bis 2013 als erstes Selektions- und Exmatrikulationsmittel gestrichen. Dennoch steht nun fest, dass je nach Studiengang alle bis zum Sommersemester 2016 bzw. 2017 ihr Staatsexamen abgelegt haben müssen. Wer Lehramt studiert, weiß wie unrealistisch die sogenannte „Regelstudienzeit“ ist, an der man sich hier orientiert hat. Welches Interesse zukünftige Schüler_innen haben, von Lehrer_innen unterrichtet zu werden, die ihr Studium im Galopp durchpeitschen mussten, ohne die Möglichkeit zu haben, nach rechts und links zu schauen, wird immer ein Geheimnis dieser Umstellung bleiben.

(von Max Christian Derichsweiler)
Erschienen in der grün:fläche im Wintersemester 2011/12