Jede Stadt hat ihre riesigen, meist überdimensionierten, Prestigeobjekte. Diese Bauvorhaben werden dann als „historisch“ und „wirtschaftlich nötig“ für die Stadt beschrieben: „Eine gute Investition in die Zukunft!“ Köln hatte in den vergangenen Jahren einige dieser Prestigeprojekte:

  • Das alte Kölner Schauspielhaus, das abgerissen werden sollte, nun aber nach heftigen Protesten saniert wird,
  • der Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage, ein Schmiergeldskandal, der nicht nur Unsummen an Steuergeldern verschwendete, sondern auch so überdimensioniert ist, dass der Kölner Müll nun besonders teuer verbrannt wird, und
  • der U-Bahn-Bau, der immer mehr Zeit, Geld und schrecklicherweise das Stadtarchiv verschlungen hat.

Man sollte meinen, Köln hätte aus der Kontinuität von Bauvorhaben nach dem Motto „höher, größer, weiter, teurer“, welche den Bürger_innen von oben aufgedrückt und bei denen meist Alternativen außen vor gelassen wurden, gelernt. Doch nun rückt erneut ein Prestigeprojekt in den kommunalen Fokus: Der Ausbau des Godorfer Hafens.

Go… was? Der im Kölner Süden gelegene Umschlagplatz für Schiffe mit (u.a.) Gefahrentransporten soll ausgebaut werden. Das hatten die Mehrheiten von CDU und SPD nach 19 (!) Jahren Hin und Her 2007 beschlossen. Ihre Argumente: Der bestehende Platz für den Containerumschlag reicht nicht aus. Daher müssen wir bauen, das schafft gleichzeitig noch Arbeitsplätze und kurbelt die kommunale Wirtschaft langfristig an.

Doch Vielen gefällt dieser Ausbau überhaupt nicht. Zum Beispiel dem Hasen, der über die Sürther Aue hoppelt. Der lebt nämlich in dem 120.000 qm großen Naturschutzgebiet der Sürther Aue, die am Rhein an den Hafen Godorf grenzt. Mit dem Entscheid der CDU und SPD im Kölner Stadtrat wurde die Zerstörung von 70.000 qm des Naturschutzgebiets beschlossen. Bürgerinitiativen unterstützen unseren Hasen und seine vielen Freund_innen zusammen mit GRÜNEN, FDP und LINKEN. Mit einer stattgegebenen Klage gegen das Planfeststellungsverfahren konnte der 2009 begonnene Bau wegen „Unregelmäßigkeiten“ im Verfahren frühzeitig gestoppt werden. Dieser Stopp war jedoch keine juristische Entscheidung über den Ausbau per se. So ruht der Ausbau derzeit, ist aber noch lange nicht vom Tisch. Die Gegner des Ausbaus machen weiter argumentativ mobil: Dass der Umschlagplatz nicht ausreicht, ist insofern kaum haltbar, da die Kapazitäten des Hafens Köln-Niehl gar nicht zur Disposition stehen. Hier liegt die Frage auf der Hand, ob andere Kölner Häfen noch Kapazitäten besitzen oder diese ausbauen könnten. Ebenso könnte eine regionale Kooperation mit Neuss, wie sie schon zwischen anderen Städten besteht, völlig neue Optionen eröffnen. Die Arbeitsplätze, die für den Hafen Godorfs geschaffen würden, entstünden so auch an anderen Stellen. Dies macht die schwarz-rote Milchmädchenrechnung zunichte. Da die Stadt Köln dieses Prestigeprojekt mit Steuermitteln in Höhe von mindestens 67 Wahnsinns-Millionen-Euro (!) unterstützen müsste, schleicht sich wieder einmal der nicht unbegründete Verdacht ein, dass hier eher wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen Platz gemacht wird, um ein für sie gutes Geschäft mit dem Geld der Kölner Bürger_innen zu machen.

Die letzte Chance, diesen Hafenausbau endgültig zu stoppen, ist die beschlossene kölnweite Bürgerbefragung, die nach Aussagen der Ratsfraktionen bindend für eine endgültige Entscheidung sein soll. Die Hürde, die genommen werden muss, ist, dass mindestens 10% aller Wahlberechtigten Bürger_innen (alle Menschen über 16 Jahren, die in Köln wohnen!) zur Abstimmung gehen müssen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Sollte dieses Quorum für JA oder NEIN nicht erreicht werden, stünden wir wieder am Anfang und damit am Ende der Sürther Aue. Diese Bürgerbefragung eröffnet gleichzeitig die immer noch seltene Möglichkeit, dass die Kölner Bürger_innen sich direkt an Entscheidungsprozessen eines Großprojektes beteiligen können. Das bedeutet nicht nur die lobenswerte Einsicht der politischen Parteien, die Bürger_innen auf politischen Wegen intensiver mitzunehmen, sondern auch eine Stärkung der direkten Demokratie. Alle Kölner_innen sollten ihre Chance nutzen, einem überflüssigen Haufenausbau und der Vernichtung eines Naturschutzgebiets die rote Karte zu zeigen.

(von Max Christian Derichsweiler)
Erschienen in der grün:fläche im Sommersemester 2011