So regelmäßig wie das Tempolimit taucht auch das Thema Frauenquote in Presse, Funk und Fernsehen auf. Ebenso wie die Diskussionen um das Tempolimit, hat jedoch trotz endloser Debatten auch die angestrebte Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschafts- und Arbeitswelt sowie in Politik und Gesellschaft, in den letzten Jahren keine wesentlichen Fortschritte gemacht. In diesen Bereichen sind wir noch weit von der Geschlechtergerechtigkeit entfernt.

Im Wirtschaftsleben zeigen schon die nackten Zahlen, wie notwendig hier ein Durchbruch ist. Wie inzwischen hinlänglich bekannt, besetzen die Männer 90% der Spitzenpositionen in der Wirtschaft. Dieser Wert stagniert seit Jahren, als wäre er ein Naturgesetz. Wo jedoch liegen hier die Ursachen dieser Diskrepanz, und viel wichtiger, wie kann man hier Veränderungen bewirken?

Die in der Vergangenheit fehlende Bereitschaft der Konzerne, sich mit dem Thema Frauenquote konstruktiv auseinander zu setzen und eigenständig Maßnahmen zu entwickeln, die ein frauenfreundliches Klima in den Betrieben erzeugt, haben zu den heutigen katastrophalen Umständen geführt. So sehen sich die Konzerne nun mit der Situation konfrontiert, dass sogar rechtliche Schritte zur Einführung einer Frauenquote ernsthaft diskutiert werden.
„Wer nicht hören, will muss fühlen“ ist ein in der Erziehung zu recht überholtes Motto; für die Wirtschaft bekommt es hier jedoch einen aktuellen Bezug.

Betrachtet man zum Beispiel die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ aus dem Jahre 2001, so wird deutlich, dass die Regierung sich der Problematik durchaus schon vor über 10 Jahren bewusst war. Leider zeigt diese Vereinbarung jedoch auch, wie wenig eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft in diesem Themenbereich bewirkt.
Wenn nun die freiwilligen Maßnahmen kläglich gescheitert sind, stellt sich die Frage nach wirkungsvollen Alternativen.

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick ins benachbarte Ausland. So haben Länder wie Finnland, Niederlande, Spanien, Frankreich und viele andere bereits seit Jahren eine Frauenquote, sowie Stufenpläne zum langfristigen Ausbau dieser Quoten. Besonders wirkungsvoll wurde dieses Konzept in Norwegen, mit einer gesetzlichen Frauenquote von 40% in den Vorständen der eingetragenen Aktienunternehmen, umgesetzt. Dennoch ist die Wirtschaft in Norwegen nicht zusammengebrochen. Ganz im Gegenteil haben selbst in den Jahren der Wirtschaftskrise die weiblichen Impulse zu einem gesunden Wachstum von 2% beigetragen.

In Deutschland hingegen beträgt der Männeranteil an den Vorstandsposten der Dax-30-Unternehmen nahezu nicht vorstellbare 98 Prozent. Frauen sind hier also ebensolche Exoten wie männliche Kindergärtner.

Im Global Gender Gap Report 2010, der die Gleichstellung von Männern und Frauen bewertet, liegt Deutschland nur auf einem unrühmlichen 13. Platz noch hinter Lesotho sowie den Philippinen. Und bei der reinen Betrachtung der Zustände in der freien Wirtschaft, liegt die BRD sogar auf dem katastrophalen 37. Platz.

Betrachtet man die Faktoren, die Frauen meistens als Karrierehemmnis angeben, so lässt sich das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern allein mit der Frauenquote jedoch nicht verwirklichen. Die negativen Einflussfaktoren sind in den seltensten Fällen Probleme der Vereinigung von Familie und Beruf. Viel häufiger sind die patriarchalen Strukturen und das gewünschte stereotypisch männliche Verhalten, sowie die mangelnde Chancengleichheit der Grund, warum Frauen nicht um die höheren Positionen kämpfen.
Das familienunfreundliche Klima der Präsenzkultur ist ein weiterer Aspekt, der Frauen daran hindert sich beruflich zu verwirklichen.

Aber nicht nur im Wirtschaftsleben, sondern auch im Bereich der Wissenschaft, sind Frauen noch weit von einer beruflichen Gleichstellung mit Männern entfernt. Hier zeigen die Zahlen ebenfalls ein erschreckendes Bild:
Liegt der Frauenanteil der Studierenden insgesamt , als auch der Studierenden mit erfolgreichem Abschluss, bei ca. 50%, so weist das statistische Bundesamt (Stand 2009) jedoch nur 18,2% Professorinnen und 10,5% Lehrstuhlinhaberinnen aus.

An dieser Stelle kommt aus der Männerwelt oft das Argument, dass sich nur sehr wenige Frauen nach abgeschlossenem Studium weiter zielstrebig wissenschaftlich fortbilden. Hier ist die Promotion ein aussagefähiges Indiz, da sie eine Voraussetzung für eine Professur ist, aber auch die meisten Vorstände von Dax-30-Unternehmen promoviert haben.
Die Zahlen geben aber selbst hier kein Argument für die Vorherrschaft der Männer her, da auch bei den Promotionen der Frauenanteil mit ca. 44% deutlich höher als bei Führungspositionen in Wirtschaft und Wissenschaft ist.
Hieraus wird klar ersichtlich, dass Frauen trotz gleich guter, ja teilweise exzellenter Ausbildung bei Führungspositionen benachteiligt werden; der Fachbegriff für eine gruppenspezifische Benachteiligung ist Diskriminierung.

Haben nun Universitäten Einflussmöglichkeiten, gegen diese Diskriminierung anzugehen?
Im Bereich der wissenschaftlichen Karrieren ist dies sicherlich möglich, aber auch zahlenmäßig bedeutender ist der Bereich der Führungspositionen in der Wirtschaft.
Welche Möglichkeiten hat hier z. B. die Uni Köln, die ja recht gute und intensive Beziehungen zu Wirtschaftsunternehmen hat und die auch bei Vorstandspositionen, wenn man deren Ausbildung betrachtet, überproportional vertreten ist?

Spezielle Uniseminare für Frauen zur Vorbereitung auf führende Aufgaben in der Wirtschaft sind, ungeachtet der mangelnden Erfolgsaussichten, sicherlich nicht im Interesse der weiblichen Studierenden, die ja bewusst keine Sonderrolle haben wollen.
In den Unternehmen selbst haben die Universitäten hingegen fast keinen Einfluss mehr. Die Studienabgängerinnen werden ja nicht sofort als Führungskraft eingestellt, sondern müssen innerhalb des Unternehmens in vielen Jahren die Karriereleiter Stufe für Stufe erklimmen.

Dennoch könnten gerade die Universitäten dadurch ein Signal setzen, dass Frauen in der Professor_innenschaft – notfalls mit einer festen Quote – stärker vertreten sind. Dies wäre ein deutliches Zeichen für die Studentinnen, dass in der Hierarchie auch Frauen Chancen auf die Toppositionen haben. Ebenfalls in der Außenwirkung sähe man darin ein Beispiel für die gelungene Umsetzung der Chancengleichheit der Frauen.
Im Studierendenalltag könnte eine Vermittlung der Lern- und Forschungsinhalte vermehrt durch Frauen zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins der Studentinnen führen und ihnen bewusst machen, dass gerade sie als Frauen in den patriarchalen Strukturen benötigt werden.

Denn es ist wissenschaftlich bewiesen, dass neben dem rein erlernbaren Faktenwissen gerade weiche Faktoren eine erfolgreiche Führungsposition definieren. Dazu gehören im Wesentlichen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und Empathie; also Eigenschaften, die eher Frauen zugeschrieben werden.

Es deutet also Vieles darauf hin, dass es keine rationalen Gründe gibt sondern es systemimmanent ist, dass Frauen bezüglich der Führungspositionen diskriminiert werden.
Hier können nur Zwangsmaßnahmen die eingefahrenen Strukturen in Wirtschaft und Wissenschaft aufbrechen, also eine gesetzlich fixierte Frauenquote. „Wer nicht hören will, muss fühlen“.

(von Katrin Becker)
Erschienen in der grün:fläche im Sommersemester 2011