Wie sich Schwarz-Gelb die Atomenergie vom Kölner EWI schön rechnen lässt
Als „Revolution in der Energieversorgung“ bezeichntete Kanzlerin Merkel den „Energiefahrplan 2050“ der Bundesregierung. Der Beschluss zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke um zehn bis 14 Jahre zeigt jedoch, dass die Regierung primär die Interessen der Atomlobby vertritt. Denn wenig spricht für eine Laufzeitverlängerung. Als Grundlage für den Energiefahrplan ließ sich die Regierung ein Gutachten vom Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) der Uni Köln erstellen. Dieses ist an die WISO-Fakultät angegliedert und erhält nach einem im Jahre 2008 geschlossenen Kooperationsvertrag je vier Millionen Euro von Eon, RWE und dem Land NRW, das damals noch schwarz-gelb regiert wurde. Im Kölner Stadtanzeiger vom 31.10.09 sprach RWE-Vorstand Rolf-Martin Schmitz davon, dass die Tatsache, dass das Land NRW ebenfalls Geld gibt, verhindern würde, dass es zu Gefälligkeitsgutachten kommen könne. Diesen Eindruck kann das aktuelle Gutachten jedoch nicht bestätigen.
Darüber hinaus sind die Vorgaben der Bundesregierung zu kritisieren. So bezog sich die Studie alleine auf wirtschaftliche Aspekte, ökologische Auswirkungen sollten nicht behandelt werden. Die Fragestellung war, inwieweit ein „Ausstieg aus dem Ausstieg“ die Strompreise senken könne. Das Szenario des Atomausstiegs, wie er von Rot-Grün geplant war, wurde dabei nicht berücksichtigt. Eine Laufzeitverlängerung war deshalb eine schon im Vorhinein beschlossene Sache, unabhängig davon, ob dies aus wirtschaftlicher oder ökologischer Perspektive sinnvoll ist.
Außerdem gab es weitere Unstimmigkeiten innerhalb der Studie. In der Financial Times Deutschland vom 28.09.2010 ist zu lesen, dass in der Diskussion um Laufzeitverlängerungen keine fairen Zahlen verwendet werden. So würde Atomstrom mit 3,9 Cent pro Kilowattstunde subventioniert. Dies schließt Mittel für die Forschung, Stillegung und Sicherung von alten Kraftwerken sowie schließlich die teure „Endlagersuche“ ein, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Auch die entwicklungspolitische NGO Germanwatch hat bei einer Analyse des Gutachtens einige Unregelmäßigkeiten gefunden. So rechnet das Institut etwa mit sinkenden Steinkohl- und Uranpreisen bis 2050, wodurch eine Preissenkung von Atom- und Kohlestrom stattfinden würde. Für viele Expert_innen ist dies jedoch sehr unwarscheinlich.
Doch selbst ohne diese Unstimmigkeiten kann das Gutachten keine wesentlichen Strompreissenkungen durch eine Laufzeitverlängerung feststellen.
Atomkraft ist aber auch aus anderen Gründen keine Energie der Zukunft. Die unlösbare Endlagerfrage – das Problem, eine sicherere Lagerstätte für 240.000 Jahre lang strahlendes Material zu finden – ist schon Grund genug aus dieser Technologie schnellstmöglich auszusteigen. Unkalkulierbare Risiken wie zum Beispiel Wassereinbruch können zu radioaktiver Kontaminierung führen, die zu Lasten von zukünftigen Generationen gehen. Die KiKK-Studie aus dem Jahre 2007, die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführt wurde, zeigt, dass das Krebsrisiko im 5km Umkreis von Atomkraftwerken signifikant steigt. Unter anderem zeigt sich ein um 118% gestiegenes Leukämierisiko für Kinder. Auch beim Abbau des Urans, der häufig in Ländern mit geringen Arbeitsschutzmaßnahmen stattfindet, ist das Gesundheitsrisiko nicht nur für die Bergarbeiter_innen hoch, sondern auch für die Menschen, die in der Umgebung wohnen. Desweiteren ist die Reaktorsicherheit nur bedingt gewährleistet. Eine 100%ige Sicherheit der Atomkraftwerke, die alle aus den 70er und 80er Jahren stammen, ist nicht gegeben, da sich Unfälle oder Anschläge immer ereignen können.
Neben dem EWI war auch das Schweizer Institut Prognos an dem Gutachten für die Bundesregierung beteiligt. Vor wenigen Monaten hat das Institut in einer anderen Studie herausgefunden, dass eine 95%ige Treibhausgasreduktion bis 2050 ohne Laufzeitverlängerung möglich ist, in der aktuellen Studie für die Bundesregierung werden lediglich 85% veranschlagt. Dies zeigt deutlich, dass die Laufzeitverlängerung zu einer Verdrängung von regenerativen Energien führt und deren Ausbau deshalb langsamer voran geht. Mit dem Atomausstieg sind daher wesentlich ehrgeizigere Emissionsreduktionsziele möglich. Die Argumentation Atomkraftwerke als „Klimaretter“ darzustellen ist damit eindeutig, und ohne dies zu intendieren, widerlegt. Auch in Zukunft werden die großen Energieunternehmen auf bereits abgeschriebene, billige AKWs setzen und deswegen weniger in erneuerbare Energien investieren. Außerdem werden in absehbarer Zeit flexiblere Kraftwerke für die Stromproduktion benötigt. Die Stromproduktionsmenge kann bei Atomkraftwerken aber nur schwierig an die schwankende Produktionsmenge der erneuerbaren Energien angepasst werden. Kommt es an besonders windigen oder sonnigen Tagen zur Überproduktion, werden bevorzugt regenerativ stromerzeugende Kraftwerke abgeschaltet, da sie flexibler sind. AKWs laufen dagegen weiter, weil deren Hoch- und Runterfahren für die Energiekonzerne teuer ist. Erneuerbare Energien werden somit unrentabler, was deren nötigen Ausbau verhindert. Damit den Anbieter_innen von erneuerbaren Energien keine Nachteile entstehen, werden sie entschädigt. Die Kosten dafür tragen nicht etwa die unflexiblen Atomstromanbieter, sondern natürlich die Endnutzer_innen. Durch den Atomausstieg würde keine Stromversorgungslücke entstehen, wie eine Studie des Umweltbundesamtes bereits 2008 herausfand. Derzeit ist Deutschland sogar Stromexporteur – bedenkt man dabei noch die Effizienzziele der Bundesregierung, nach denen Deutschlands Energieverbrauch zukünftig fallen soll, ist das Vesorgungsargument unhaltbar.
Das Ziel einer dezentralen Stromproduktion kann mit Atomkraftwerken ebenfalls nicht erreicht werden. Es gibt nur vier große Energieunternehmen in der BRD, die den Markt kontrollieren und als einzige Anbieter Atomkraftwerke besitzen. Eine Verlängerung der Laufzeit stärkt ihre Marktmacht und verringert den Wettbewerb auf dem Strommarkt. Dies führt zu höheren Energiepreisen. Die dezentrale Stromproduktion dagegen kann gewährleisten, dass die Gewinne nicht auf wenige Energieriesen fällt, sondern auch Stadtwerke, Kommunen oder Einzelne profitieren können.
Ökostromanbieter sind schon heute eine Alternative zu den großen Energiekonzernen. Sie nehmen ihre ökologische Verantwortung wahr und reduzieren die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Gerade bei der Diskussion um die Laufzeitverlängerung sollte auch die Knappheit des Rohstoffs Uran bedacht werden. Die Preise des Ökostroms dagegen sind nicht von der Verknappung der Ressourcen abhängig und häufig nicht einmal teurer als konventionelle Anbieter_innen. Den Atomausstieg könnt ihr über einen Wechsel des Energieanbieters ganz einfach in die eigenen Hände nehmen. Hierfür empfehlen sich im Besonderen die Anbieter, die ihre Gewinne in den Neubau von Anlagen zur Erneuerbaren Energie stecken. Eine Liste findet ihr unter www.atomausstieg-selber-machen.de. Zusätzlich müssen wir aber natürlich auch Druck auf die Regierenden ausüben, damit der Atomausstieg doch schnellstmöglich umgesetzt wird. Hierfür bieten sich auf jeden Fall die Proteste gegen den Castor-Transport im November im Wendland an.
(von Timo Gedlich und Oliver Tietjen)
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