Seit März 2008 läuft das Preferred Partnership Agreement – die bevorzugte Partnerschaft – zwischen der Uniklinik Köln und der Leverkusener Bayer AG. Bevorzugte Partnerschaft, das heißt eine enge Zusammenarbeit mit Vorteilen für beide Teilnehmer. Eine Uniklinik als öffentliche Einrichtung, an der Forschung und Behandlung zusammenlaufen, liefert die Patient_innen und die Grundlagenforschung, während seitens der Bayer AG die finanziellen und wissenschaftlichen Mittel gestellt werden, um erworbene Informationen und Ergebnisse schneller umsetzen zu können. Das bringt mehrere Vorteile: Die Forschung auf bestimmten Gebieten kann rascher vorangetrieben werden, gleichzeitig haben Patient_innen schneller Zugriff auf neu entwickelte Medikamente. Schwerpunkte, die sich Bayer und die Uniklinik Köln gesetzt haben, liegen hierbei in den Bereichen der Kardiologie, Neurologie und Onkologie. Die Sinnhaftigkeit und Qualität solcher Studien soll durch das 2002 eingerichtete Zentrum für klinische Studien (ZKS) und ein „steering commitee“, bestehend aus Angestellten von Bayer und Uniklinik, gesichert werden. Als weitere Instanz besteht eine unabhängige Ethikkommission, deren prüfende Funktion sich jedoch lediglich auf die Einhaltung ethischer Regeln beschränkt. Durch ein neu eingeführtes Graduiertenkolleg wird jungen und vielversprechenden Wissenschaftler_innen die Möglichkeit der Promotion erleichtert – Bayer unterstützt also auch die Nachwuchsförderung.
Von so einer Zusammenarbeit profitieren also eigentlich erst einmal beide Seiten. Die so genannte bevorzugte Partnerschaft ist schon seit längerem Gang und Gebe in den verschiedensten naturwissenschaftlichen Bereichen. Die Bayer AG alleine hält weltweit 800 solcher Kooperationen aufrecht. Und auch vor Unterzeichnung der Kooperation wurde an der Uniklinik Köln zusammen mit Bayer gemeinsam an Projekten gearbeitet. Allerdings ist die nun schon zwei Jahre bestehende Kooperation zwischen dem Konzern und der Uniklinik Köln die bis dahin weitreichendste des Landes. Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) freut sich, seinem Ziel, aus NRW bis 2015 das „Innovationsland Nummer Eins“ zu machen, näher zu kommen. Denn eines ist klar: Auch wirtschaftliche Interessen sollen mit dieser großen Zusammenarbeit befriedigt und Köln bzw. NRW als Standort wettbewerbsfähiger gemacht werden. Grundlage für die große Kooperation war das von Pinkwart neu eingeführte Hochschulmedizingesetz, welches zum 1. Januar 2008 in Kraft trat. Grob zusammengefasst erlaubt es den Unikliniken, autonomer zu handeln: Sie können u.a. ihre Rechtsform selber wählen und werden flexibler im Bezug auf die Interaktion mit privaten Unternehmen.
Trotz aller unwiderlegbaren Vorteile einer solchen Kooperation melden sich schon seit Beginn der Zusammenarbeit kritische Stimmen zu Wort. Das Fehlen einer unabhängigen Kontrollinstanz und die Tatsache, dass weder Bayer noch die Uniklinik bereit sind, den Partnerschaftsvertrag offenzulegen, ist vielen Verbänden, Mediziner_innen und Student_innen ein Dorn im Auge. Im November 2008 wurde ein offener Brief veröffentlicht, der sich an die Uniklinik richtet und Klarheit bezüglich der vertraglichen Richtlinien fordert. Unterschrieben wurde dieser Brief unter anderem von dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte „medico international“, der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG), den „Kritischen Medizinstudierenden der Uni Köln“, „campus:grün“ und der „Alternativen Liste“ der Uni Köln. Inhaltlich fasst der Brief alle Probleme und Befürchtungen zusammen, die aus der Kooperation bzw. der Nichtoffenlegung des Vertrages hervorgehen: Inwieweit wurde der Vertrag zusammen erarbeitet? Wie viel Mitspracherecht hat die Uniklinik, wie viel wurde von Bayer diktiert? Wem ‚gehören‘ die gewonnenen Erkenntnisse? Dürfen Studien während ihres Verlaufs autonom von behandelndem Personal abgebrochen werden, wenn das Risiko einer eventuellen Gefährdung des/der Patient_in bestünde? Ein wichtiger angesprochener Punkt betrifft den wissenschaftlichen Austausch – unklar ist, ob die gemeinsam erarbeiteten Resultate vor ihrer Veröffentlichung der Bayer AG vorgelegt werden müssen. Außerdem ist nicht deutlich, ob eventuelle Fehlschläge oder negativ verlaufene Experimente überhaupt publik gemacht werden. Die Frage ist berechtigt: Würde es ein großes Unternehmen wollen, auf Misserfolge hinzuweisen? Viele sehen darin einen Verlust von offenem Forschungs- und Meinungsaustausch. Auch dringt an dieser Stelle wieder der wirtschaftliche Aspekt der Kooperation durch: Ökonomisch rechnet es sich nicht, Krankheitsbilder zu erforschen, die nicht in ‚reichen‘ Ländern auftreten oder von denen nur eine geringe Zahl von Menschen betroffen ist. Ganz allgemein bedeutet eine Ausrichtung der Entwicklung von Studien und Medikamenten an rein wirtschaftlichen Interessen einen tiefen Einschnitt in eine unabhängige Forschung.
Der Fragenkatalog blieb bislang unbeantwortet, die Uniklinik beruft sich auf die Wahrung von Betriebsgeheimnissen: Eine Offenlegung der Vereinbarungen würde einen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Verwiesen wird dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz, das regeln soll, welche Informationen für die Öffentlichkeit einsehbar sein müssen. Dort steht nämlich, Forschung und Lehre seien von einer solchen freien Zugänglichkeit ausgeschlossen. Da es sich allerdings im Vertrag von Bayer und Uniklinik um organisatorische Rahmenbedingungen handelt und nicht um konkrete Forschungsinhalte, zieht genannte Ausnahmeregelung in diesem Falle nicht. Im März 2009 wurde ein Schreiben der Uniklinik veröffentlicht, das zwar weitere Details der Kooperation preisgibt, jedoch kaum auf die gestellten Fragen eingeht und nach wie vor keine vollständige Vertragsoffenlegung darstellt. Den kritischen Stimmen ist man also immer noch eine Antwort schuldig.
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